Publizistik fürs Leben: Was die Uni zu lehren vergaß

Studieren lässt einem über Gott und Welt nachdenken, neue Leute kennenlernen und Diskussionen bis tief in die Nacht führen. Ich habe mein Studium der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft sehr gemocht. Im Berufsleben merke ich aber, dass doch zu wenig konkretes Anwenderwissen vermittelt wird.

Ich habe gerne Publizistik- und Kommunikationswissenschaft studiert. Im Studium habe ich viel Philosophisches mitgenommen, mit Studienkollegen lang und breit über unser Mediensystem diskutiert und irgendwie vermisse ich sogar den Nervenkitzel vor einer schweren Prüfung. Intensiv habe ich mit Medienrecht beschäftigt und ich glaube, da habe ich auch einiges mitgenommen. Was aber gerade im Berufsalltag als PR-Berater  auffällt: Dem Studium mangelt es an konkretem Anwenderwissen. Es gibt vor allem drei ganz wichtige praktische Kompetenzen, die Publizistik vergaß uns Studenten zu lehren. Der Titel ist übrigens entleht von Wolf Schneider und das bringt mich gleich zur ersten geforderten Kompetenz:

Nr. 1: Bringt uns Schreiben bei!

In Österreich gibt es ungelogen viele Menschen, die aus beruflichen Gründen schreiben. Damit meine ich nicht nur Journalisten und PR-Leute sondern auch Jungunternehmer die einen Businessplan erstellen, Behörden die einen Bescheid ausstellen, oder eben auch Wissenschaftler, die einen Fachartikel publizieren. Schreiben ist eine Fähigkeit, die gelernt werden muss. Im Idealfall steht in jedem Studium ein Schreibtraining im Curriculum. Rechtswissenschaft würde zum Beispiel enorm davon profitieren, dann müssten wir vielleicht auch weniger grässliches Juristendeutsch lesen. Mehr als alle anderen Studenten, müssen aber Publizisten klar verständliche und gute Texte schreiben können. In Ansätzen gibt es im Studium auch ein Schreibtraining. Ich habe auf der Uni gelernt, was eine umgekehrte Pyramide ist und wie genau ich ein Porträt oder eine Reportage schreibe. Ich erinnere mich auch gerne an eine praktische Übung bei Katrin Burgstaller zurück, heute stellvertretende Ressortleiterin Inland beim Standard. Sie hat immer unsere Berichte durchgelesen und anschließend gezeigt was fehlt oder besser formuliert gehört. Dieses Feedback war ganz wichtig, denn ohne dem lässt sich der eigene Schreibstil nicht weiterentwickeln. Wertvolles Feedback zum Schreibstil habe ich auch bei Helge Fahrnberger erhalten. In seiner Lehrveranstaltung haben wir beim mittlerweile sehr bekannten Medienblog Kobuk.at mitgeschrieben.
Abgesehen von diesen zwei Positivbeispiele, gab es aber in Summe aber einfach zu wenig Schreibtraining an der Uni. Gutes Schreiben ist intellektuell anspruchsvoll und muss laufend geübt werden. Im Idealfall gleich über die gesamte dreijährige Studienzeit im Bakkalaureat! Solche Trainings sollten übrigens auch manche Professoren, Assistenten und Post-Docs besuchen. In vielen, an sich tollen, wissenschaftlichen Aufsätze werden völlig unnötig drei oder vier Gedanken in einen einzigen Satz gepresst und elendslange Substantivketten gebildet. Folge daraus: Die Leser müssen die Sätze erst einmal enträtseln, bevor sie das Geschriebene verstehen können.

Nr. 2: Data counts, Baby

Ich habe nie verstanden, warum Statistik in Publizistik- und Kommunikationswissenschaft so ein Schattendasein fristet. Jetzt wird allerorts von Data Journalism, Big Data und der Quantifizierung aller Lebenswelten gesprochen und dann lernen die Publizistikstudenten nur wenig über statistische Anwendungen. Freilich, ein bisschen SPSS haben wir gelernt und mit welcher Skala welche Rechenoperationen möglich sind. Im Detail habe ich mir aber selbst mit Praxisbüchern und Onlineforen helfen müssen. Datenanalyse ist aber ein Kernelement jedes sozialwissenschaftlichen Studiums und immerhin würden sich auch neue Berufschancen für Publizisten ergeben, etwa in der Marktforschung. Bei Statistik haben wir aber bisher gegen Soziologen oder Geografen kein Leiberl.

Nr. 3: Medientechnik

In Publizistik kann man zwei Praxisfelder völlig frei auswählen. Ich hatte Printjournalismus und Onlinejournalismus gewählt. Bei beiden Felder hätte ich mehr technisches Grundwissen gewünscht: Wie verwende ich Adobe InDesign? Welche Dinge sind vor dem Druck zu beachten? Wie bereite ich journalistische Inhalte optimal online auf? Und wie mache ich einen Blog auf und bearbeite diesen? Solche Dinge kamen viel zu kurz. Als einziges Positivbeispiel fällt mir da die Lehrveranstaltung von Michael Eisenriegler und Peter Adametz ein, bei denen wir ein Blogprojekt zur Bundespräsidentenwahl gestartet haben.

Mein Fazit: Schreibstil, Statistik und Medientechnik sind entscheidende Fähigkeiten und das weiß sicher auch die Studienprogrammleitung am Publizstikinstitut. Dass es hier an Angeboten mangelt, liegt wahrscheinlich auch daran, dass viele Lehrende selbst nicht das nötige Know-how haben. Problematisch ist sicher auch die Masse an Studenten. Denn alle drei Kompetenzen lassen sich nur in Kleinstgruppen und mit einer wirklich intensiven Betreuung erlernen. Deshalb hoffe ich auf ernsthafte Zugangsbeschränkungen zum Studium und generell mehr finanzielle Mittel. Das würde auch zu einer Imageverbesserung des Studiums beitragen und den Berufseinstieg für Publizisten erleichtern.

7 Kommentare

  1. Nun, Statistik wird am Institut für Soziologie ganz vorzüglich gelehrt, da müsste die Publizistik nix eigenes auf die Beine stellen. Problematisch sehe ich, wie Du ja schreibst, auch, dass das Interesse an Statistik SEHR gering ausgeprägt ist (ich frag das in meinen Tutorien immer ab).

    Zum Thema (wissenschaftliches!) Schreiben bieten Soziologie, POWI und KSA prima Seminare an, warum grad an der Publizistik nicht, ist mir auch ein Rätsel.

    Zur Medientechnik geb ich Dir nur bedingt recht. Für Indesign, WordPress, Dreamweaver u.v.a.m. bietet das ZID benz hervorragende Kurse – in einem Tag hast die Basics.
    Was aber völlig fehlt, ist ein Überblick über alle relevanten Medientechniken „was mach ich warum womit“ und bestimmte Basics (was ist ein Farbraum, wozu TCP/IP, Komprimierungsverfahren etc) wie sie sehr ausführlich in der Medieninformatik behandelt werden.

    Zur Medienkompetenz wäre m.E. eine Lehrveranstaltung angebracht, welche anhand einer Theorie (zB nach Baacke)
    das Thema abhandelt.
    Zum Blogprojekt zur Bundespräsidentenwahl geb´ ich Dir uneingeschränkt recht.

    Und generell sollten Studierende viel mehr in anderen Studienrichtungen mäandern … zum Thema Neue Medien gibts tolle Angebote auch in der POWI, KSA, Rechtswissenschaften, Soziologie etc. Ich hab das auch erst relativ spät überrissen 🙂

  2. Umfassende Statistik sollte einfach Pflicht sein in PuKW. Geb Dir voll Recht, dass das auch ganz einfach von/mit anderen Studienrichtungen vermittelt werden kann. Leider werden die Lernmöglichkeiten in anderen Studien ja generell immer mehr eingeschränkt. Echt schade.

  3. Ich hatte mir etwas in Richtung Management im Studium sehr gewunscht oder auch die Wahl zu haben ein bisschen in Richtung Marketing zu gehen. Fur mich war es ein bisschen zu viel Forschung und wenn ich mir Jobangebote in Richtung Kommunikationa anschaue, steht ofters dabei dass Native Speakers gesucht werden. Hat man als Auslander mit PuK. so wenige Chancen? 🙁

  4. Hi Joseph,
    echt schwierig mit dem Berufseinstieg. :-/ Marketing ist tatsächlich kein Schwerpunkt vom Publizistikstudium an der Uni Wien. Da kommen eher Wirtschaftsuniversität Wien oder diverse Fachhochschulen in Frage. Falls Du irgendwie weiter studieren willst als Tipp: http://www.publizistik.net/oesterreich/ gibt einen super Überblick über Ausbildungen in Österreich. Z.B. von der FH-Wien, die explizit den Studiengang „Journalismus und Medienmanagement“ anbieten.

    LG
    Fabian

  5. Das Studium der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in Wien hat sicherlich Schwächen, eine mangelnde Anwendungsorientierung aber sicherlich nicht.

    Das liegt schlicht und einfach daran, dass an Universitäten theoretisches Reflexionswissen, die Heransgehensweise an komplexe Probleme, sauberes und präzises Arbeiten und so weiter vermitteln (sollen). Ein Universitätsstudium ist keine Ausbildung bei der dir Anwendungswissen wie der Umgang mit Photoshop vermitelt wird. Eine Presseaussendung zu Schreiben, InDesign oder was auch immer lernst du spätestens nach ein paar Wochen im Job, während eines Praktikums oder durch Eigeninitiative – dies dem Institut vorzuwerfen kann nur als naiv bezeichnet werden und trifft schlicht daneben.

    Niemand hindert dich übrigens daran, beispielsweise in einer Abschlussarbeit, innovative Methoden oder aktuelle Themen aufzugreifen… Was die Statistik angeht, wandelt sich derzeit einiges. Augen auf 😉

    PS: Es heißt übrigens Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (Singular!) – so viel zu drei Jahren Studium… Auch bei deinem Text ist im Feld des Stils, der Grammatik und der Orthografie noch Luft nach oben. Ein sprechendes Beispiel sozusagen 😉

  6. Zur Rechtschreibung: Kommunikationswissenschaften habe ich ausgebessert, danke für den Hinweis!

    Schreibtraining und Statistik sehe ich gerade als zentrale wissenschaftliche Skills, die auch in der Privatwirtschaft sehr praktisch sind. Damit meine ich auch gar nicht das Schreiben von Presseaussendungen, sondern klarerweise gute wissenschaftliche Schreibe. Ich habe zum Beispiel einen „Academic Writing Course“ während meines Erasmussemesters in Kopenhagen gemacht und so etwas macht auch bei uns in Wien Sinn! Mit Medientechnik meine ich auch nicht Photoshop, sondern schon eher so Sachen wie sie Axel Maireder macht. Wer z.B. weiß, wie mit einer API umzugehen ist, kann die digitalen Medien besser und tiefer erforschen.

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